Martina Bach startet ins Erzieher-Abenteuer

Über das Für und Wider der neuen Ausbildungsform in MV

Martina Bach hat nicht lange überlegt. Für die junge Mutter aus Neu Kaliß ist die neue praxisorientierte Erzieherausbildung ein Segen. Für Kita-Leiterin Bärbel Kruse auch: „Wir können jede helfende Hand gebrauchen, gerade jetzt, wo es kaum noch Fachkräfte auf dem Land gibt.“ Allerdings stellt die neue Ausbildungsform die Volkssolidarität Südwestmecklenburg als Träger der Kita „Abenteuerland“ auch vor viele Herausforderungen.

Noch vor etwas mehr als einem Jahr pendelte Martina Bach jeden Tag zwischen Job und Zuhause. Acht Jahre lang arbeitete sie als Hotelfachfrau, dann kam ihre Tochter Amelie zur Welt. Ihre Elternzeit war fast rum, als sie von der neuen Erzieherausbildung in MV erfuhr.

Verkürzte Ausbildung = mehr Fachkräfte?

„Mit der praxisorientierten Ausbildung reagiert das Land auf den steigenden Bedarf an Fachkräften in Krippen, Kitas und Horten“, sagt Bildungsministerin Birgit Hesse. Seit diesem Ausbildungsjahr bieten alle fünf beruflichen Schulen mit der Fachrichtung Sozialwesen in Güstrow, Neubrandenburg, Rostock, Stralsund und Schwerin die Ausbildung zum „Staatlich anerkannten Erzieher/in für 0 bis 10-Jährige“ an.

Das Neue: Die angehenden Erzieher besuchen in dieser Zeit sowohl eine Kindertagesstätte (für insgesamt rund 2200 Stunden) als auch eine Berufsschule. Dadurch dauert die Ausbildung im Vergleich zur herkömmlichen rein schulischen Variante nur drei statt vier Jahre. „Den Auszubildenden wird außerdem eine Vergütung bezahlt“, so Ministerin Hesse. „Daher ist die Ausbildung auch für Seiteneinsteiger attraktiv.“

Neu: Monatliche Vergütung

Wie für Martina Bach. „Ich habe nicht lange überlegt“, sagt die 27-Jährige. „Die Kita ist im gleichen Ort, in dem ich wohne. Ich weiß meine Tochter in der Nähe und verdiene weiterhin Geld.“

Wer sich für die praxisorientierte Ausbildung entscheidet, erhält eine monatliche Vergütung von knapp 1000 Euro brutto. Für den Auszubildenden gut, für die Kita nachteilig, denn sie bzw. der Träger wie die Volkssolidarität Südwestmecklenburg muss die monatlichen Mehrkosten tragen. „Auch wenn der Auszubildende mehrere Wochen nicht in der Kita eingeplant werden kann, in denen er oder sie die Berufsschule besucht“, sagt Kita-Bereichsleiterin Heike Stein-Dietrich. Und wenn die Ausbildungsvergütung mit in das Entgelt eingerechnet wird, steigen mitunter auch die monatlichen Elternbeiträge.

Planungsabenteuer für Kitas

Zwar arbeitet Martina Bach bereits zwei Monate im „Abenteuerland“, von November bis Februar muss sie allerdings in der Berufsschule lernen. „Dann fehlen uns wieder zwei helfende Hände“, sagt Kita-Leiterin Bärbel Kruse. „Es ist also auch noch unklar, wie die neue Ausbildungskraft auf den Personalschlüssel angerechnet werden darf“, erklärt Heike Stein-Dietrich. Das Gesetz sehe im ersten Ausbildungsjahr ein Drittel einer Vollzeitstelle vor. So oft sei Martina Bach allerdings gar nicht in der Kita im Einsatz. „Außerdem ist eine eigenverantwortliche Tätigkeit in der Gruppe noch nicht zulässig“, so die Expertin weiter.

Wer betreut die Ausbildung als Mentor? Gibt es Stunden für den Mentor um eine gute Beratung und Begleitung der Auszubildenden gewährleisten zu können? Wie muss das Berichtsheft geführt werden? Auch bei der schulischen Ausbildung gebe es noch jede Menge offene Fragen, so Heike Stein-Dietrich.

Klar ist, vieles ist noch unklar

Trotz aller Ungewissheiten hat Martina Bach ihre Entscheidung noch kein einziges Mal bereut: „Ich gehöre zum ersten Jahrgang dieser Ausbildungsform. Ist doch klar, dass noch vieles unklar ist“, sagt sie. „Die traditionelle Erzieherausbildung hätte ich gar nicht antreten können. Ich hätte vier Jahre lang kein Geld verdient, wie sollte ich so eine Familie ernähren?“

Veröffentlicht am: 23. November 2017