Thomas Rafalzyk

Eine Friedensbewegung ist notwendig

Brief des Präsidenten zum Weltfriedenstag

Liebe Mitglieder der Volkssolidarität,

am 1. September 1939 überfiel die deutsche Wehrmacht Polen. Der Zweite Weltkrieg hatte begonnen.

An seinem Ende waren fast 60 Millionen Tote zu beklagen, große Teile Europas lagen in Schutt und Asche, in Japan wurden zwei Atombomben gezündet, in wenigen Jahren war ein Genozid an den europäischen Juden vollzogen worden, zig Millionen Menschen hatten ihre Heimat verloren.
„Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg“ war deshalb eine Botschaft die den Willen vieler Menschen ausdrückte, sich aktiv für den Frieden einzusetzen. Unmittelbar nach dem verheerenden Zweiten Weltkrieg war diese Haltung auch in der Volkssolidarität verankert und dies ist auch heute so. In unserem Leitbild heißt es: „Wir bekennen uns zu Frieden, Humanismus, Demokratie und Solidarität als Grundwerte unseres Handelns und stehen in der Tradition der Gründung unseres Verbandes durch das antifaschistische Bündnis aller Parteien und Kirchen.“

Als Weltfriedenstag wurde der 1. September benannt. Auch in der frühen Bundesrepublik entwickelte sich eine breite Antikriegsbewegung, die den 1. September als Antikriegstag für das Werben um gesellschaftliche und politische Unterstützung ihres Anliegens nutze. Der DGB als der Initiator des Antikriegstages stellte dieses Ziel deutlich heraus, der 1. September soll „ein Tag des Bekenntnisses für den Frieden“ sein. International sind zwei Gedenk- und Aktionstage von großer Relevanz, der 1. Januar, der von der katholischen Kirche benannte Weltfriedenstag und der „Internationale Tag des Friedens der UNO“, der am 21. September begangen wird.

Für die Volkssolidarität hat der 1. September eine besondere Bedeutung. Ihre Gründung ging ja zurück auf die Not vieler Menschen nach dem entsetzlichen Krieg. Viele der Haupt-und ehrenamtlichen Helfer und Helferinnen der VS haben dessen Folgen, den Hunger, die Obdachlosigkeit, den Verlust an Menschlichkeit erlebt, und ihnen Solidarität und Humanität entgegengesetzt. Das sind für die Volkssolidarität Werte, die wir auch heute leben. Miteinander –Füreinander, dieses Motto der Volkssolidarität ist Ausdruck dessen.

Den 1. September Weltfriedenstag zu nennen, das war angesichts des gerade zu Ende gegangenen Weltkrieges und der Gefahr eines für die Welt verheerenden Atomkrieges folgerichtig.

Der Weltfriedenstag ist heute zugleich eine Aufforderung an uns, die Welt in den Blick zu nehmen. Die Welt war auch nach 1945 nicht friedlich. Die Kriege um die Sicherung der Kolonien und die Zurückdrängung des Kommunismus wie in Algerien, Korea, Vietnam und im Nahen Osten haben ebenfalls Millionen Tote zur Folge gehabt. Viele von uns sind in der Tradition solidarischer Unterstützung von Völkern und Bewegungen, die um nationale Unabhängigkeit rangen. Wie berechtigt solche Solidarität war, ist beim Pinochet-Putsch in Chile sofort sichtbar geworden.

Heute aber erst wird das ganze Ausmaß der Grausamkeiten dieser Zeit sichtbar, etwa wenn das Schicksal der Tausende von Vermissten in Argentinien klar wird, die aus Flugzeugen lebend ins Meer gekippt wurden. Die Rolle der Bundesrepublik in diesen Kriegen und Konflikten ist keine rühmliche.

Für uns als Volkssolidarität gibt es jedoch positive Anknüpfungen solidarischen Handelns, auch wenn die Zusammenhänge zwischen Ursachen und Wirkungen von Auseinandersetzungen und Kriegen komplexer scheinen und sind.

Auch heute sind es die „einfachen“ Menschen, die das Leid und die Last zu tragen haben. Auch heute stehen hinter vielen Konflikten wirtschaftliche Interessen. Auch heute sind ethnische Minderheiten in Kriegsgebieten besonders Gewalt und Terror ausgesetzt. Auch heute profitieren Menschen vom Tod durch Krieg, insbesondere diejenigen, die die Infrastruktur und die Waffen dafür liefern. Auch heute wird in Kriegen gelogen, wie am 1. September 1939. Die Wahrheit ist oft schwer oder nicht zu fassen und viele Fragen sind nicht einfach zu beantworten.

Eine verstärkte europäische militärische Zusammenarbeit, wie sie vom französischen Präsidenten gefordert wird, birgt erhebliche Risiken. Wenn gegenwärtig wieder eine Neuausrichtung der militärischen Strategie diskutiert wird, die Russland als Feind Nr.1 begreift, dann führt das wieder direkt in die Logik des kalten Krieges.

Welches Glück wir alle 1983 hatten, nicht in einem nuklearen Inferno zu enden, ist vielen auch heute nicht klar. Ich bin überzeugt, dass wir heute wieder eine Friedensbewegung brauchen, engagierte Menschen, die sich gegen Rüstung, Waffenexporte und Kriegseinsätze stellen.

Der Weltfriedenstag am 1. September bietet dafür Raum. Die Volkssolidarität sollte in diesem Raum sichtbar sein, als Verband, für den Frieden ein fundamentaler Wert ist. In der Antikriegsbewegung haben viele Aktionen Platz, ob das Briefe an die Parteien im Bundestag sind, Unterschriftensammlungen, Proteste gegen Rüstungsexporte. Zu den wichtigen Aktionen gehören auch die, die Kriegsflüchtigen Aufnahme, Schutz, Förderung und Integration anbieten. Das sind auch die vier zentralen Forderungen des Papstes zum kirchlichen Weltfriedenstag am 1. Januar 2018.

Ihr Präsident Dr. Wolfram Friedersdorff

Veröffentlicht am: 14. September 2018